Zunächst wünsche ich alles Gute zum Chinesischen Neujahrsfest – 新年快樂 oder Xin Nian Kuai Le! Am 26.01. begann das neue Jahr und meine neue französische Mitbewohnerin Louise und ich waren zu einem sehr familiären Essen unseres taiwanesischen Freundes Nelson eingeladen worden. Wir genossen ein großartiges Abendessen und waren die ersten außerfamiliären Gäste der Familie Lin. Das Bild zeigt die gesamte Familie, die sich am Neujahrsabend traditionellerweise bei den Großeltern väterlicherseits versammelt. Am linken Bildrand kann man einen kleinen Altar erkennen, wo einige Gaben für die Vorfahren niedergelegt wurden. Nach dem Essen spielten wir chinesisches Schach, würfelten ein wenig um kleinere Geldbeträge und erhielten von unseren taiwanesischen „Eltern“ die roten Geldumschläge, die uns Glück für das neue Jahr bringen sollen. Nach einem kleinen Abstecher zum Longshan Tempel machten wir uns dann auf den Rückweg durch ein reltativ ruhiges Taipei. Es wurden ein bisschen geknallert, aber viele Taiwanesen verlassen zur einwöchigen Neujahrspause die Hauptstadt, um ihr Familien zu besuchen.
Unser Equivalent zum chinesischen Neujahr ist das Weihnachtsfest und auch da kann ich alle beruhigen: Wir europäischen Austauschstudenten haben uns einigemaßen angestrengt, um einen schönen Heiligabend zu verleben. Nach einer intensiven Suche nach einen Gottesdienst fand ich mich schließlich in einer katholischen Weihnachstmesse wieder, war aber trotz einiger sprachlichen Hindernisse durchaus mit der Thematik vertraut. Beim Glaubensbekenntnis habe ich mich so sehr aufs Französische konzentriert, dass ich doch tatsächlich bekannt habe, „Je crois en l’Esprit Saint, à la saint Église catholique“. In leichter Weihnachtsstimmung ging es dann in ein schwedisches Restaurant und anschließend versammelten wir uns um den blauen Carrefour Weihnachtsbaum in unserer Wohnung.
Mein Mitbewohner Philippe aus Dänemark, der am häufigsten auf der kleinen Collage zu sehen ist, hat sich dann zwischen den Jahren auf den Weg nach Hause gemacht. Er wurde in Teilen durch die eingangs erwähnte Französin ersetzt und es ist sicherlich gesünder, eher Gemüse als Taiwan Beer Gold Medal zu kaufen, aber es ist einfach nicht mehr so wie vorher…Allerdings wurde mir dann beim Blick auf ein phantastisches Feuerwerk an und um Taipei 101, dem immer noch höchsten Gebäude der Welt, klar, dass meine Zeit in Taiwan ebenfalls langsam abläuft.
Anfang Januar habe ich noch einige Arbeiten für die Soochow Universität anfertigen müssen und kurz darauf habe ich mich dann auch schon „deregistriert“. Es war seltsam, ein letztes Mal im International Office und beim German Department vorbeizuschauen, und auf dem Fußballfeld trainierte schon wieder die Baseballmannschaft. Zudem wurde es in Taipeh überraschend kühl und bei 10°C wird es sogar in Wohnungen ohne Heizung recht frisch. Auf einmal kam aber plötzlich der „Sommer“ zurück und bescherte uns bestes Wetter zur letzten Reise außerhalb von Taipei. Nach vorsichtigem sowie spontanem Hauptstadttourismus ging es vergangene Woche mal wieder raus aus Taipei. Unsere kleine vierköpfige Reisegruppe machte sich per Bahn auf den Weg zur Ostküste. Da ich nach wie vor keine internationale Fahrerlaubnis besitze, durfte ich mir einen ganzen Tag lang die recht wilde und gebirgige Ostküste Taiwans vom Rücksitz unseres Leihwagens aus anschauen. Kurze Stopps für stativgestützte Gruppenphotos sowie das Überschreiten des nördlichen Wendekreises sorgten für ein gewisses Maß an Abwechslung. Die Sache mit dem Wendekreis überraschte mich etwas, denn ich erwartete diesen speziellen Breitengrad etwas weiter nördlich und wusste ebensowenig, dass diese Linie auf Englisch Tropic of Cancer (!) heißt.
Nach einer Nacht in Hualien ging es am nächsten Tag in die Tarokoschlucht. In einer atemberaubend steilen Schlucht mit Gipfeln über 3000m verbrachten wir einen ganzen Tag mit kurzen Wanderungen abseits einer etwa 25km langen Straße, die einfach so in den Fels gehauen worden war. Der Tag stand nicht unter dem besten Vorzeichen, da ein Wahrsager unserem Freund Nelson an diesem Tag ausschließlich zu vorsichtigen häuslichen Aktivitäten geraten hatte. Der Junge schlug sich aber recht wacker hinter dem Steuer und es gab nur einen seltsamen Moment, als bei einer Wanderung ein paar Felsbrocken vor uns auf dem Boden zerschellten. Abends mussten dann alle für Obama wach bleiben und ich war tatsächlich bewegt und gleichzeitig etwas beschämt über das Gestottere beim Sprechen der Eidesformel. Am nächsten Tag entspannten wir noch etwas am Strand, hielten wir unsere Füße in den Pazifik und fuhren schließlich zurück nach Taipeh. Bevor die chinesische Neujahrswoche anbrach, schickte ich noch schnell 20kg Betelnüsse sowie andere gesammelte Werke nach Münster und bereite mich weiter auf meine Abreise vor.
Für ein Resumée ist es an dieser Stelle noch zu früh, aber ich kann jetzt schon sagen: ja, kommt nach Taiwan, wenn Ihr die Möglichkeit dazu habt. Ich habe mir heute erneut ein Video angeschaut, was ich vor meiner Abreise auf meinem Blog verlinkt habe. Eingentlich fand ich es etwas kitschig, aber ich musste feststellen, dass das Video Taiwan ganz gut charakterisiert. Nicht umsonst nennen die Taiwanesen ihr Land so, wie es die Portugiesen vor einiger Zeit von ihren Schiffen aus beschrieben haben – Ilha Formosa (wunderbare Insel).